Die Chatbots sind bereit – und zwar eine Armee davon

Die Schlacht um Ihren Online-Shopping Geldbeutel wurde in großem Stil auf Websites, und neuerdings auch auf Smartphone Apps, ausgetragen. Nun haben Händler ein neues digitales Tool in Augenschein genommen, das sowohl Ihr Geld als auch Ihre Treue gewinnen soll: eine Chatbot-Armee.

Chatbots – so heißen die Roboter die menschliche Kommunikation vortäuschen – sind in den letzten Wochen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten,  inmitten einer Flut an neuen Experimenten zu ihrem Einfluss auf die Zukunft des Online-Shoppings. Schwergewichte des Einzelhandels wie Sephora und H&M haben Chatbots vor kurzem auf der Messaging-App Kik eingeführt, um Kunden beim Browsen und beim Kauf Ihrer Produkte zu unterstützen.

Taco Bell präsentierte sein TacoBot mit dessen Hilfe über den Messenger Slack eine Essensbestellung durchgegeben werden kann. Und letzten Dienstag gab Facebook die Bereitstellung einer Plattform bekannt,  die Unternehmen das Erschaffen von Bots ermöglicht, die über den von weltweit 900 Millionen Menschen verwendeten Facebook- Messenger laufen. Für diejenigen unter uns, die digitale Chatbot-gesteuerte Assistenten wie Apples Siri oder Microsofts Cortana genutzt haben, mögen Bots wie eine Neuheit erscheinen. Vielleicht lachen Sie häufiger über die Fehlinterpretationen der Chatbots als dass Sie ihren Nutzen schätzen.

Aber Verfechter der Technologie sind überzeugt, dass Bots im Mittelpunkt eines entscheidenden Paradigmenwechsels stehen. Früher war der Webbrowser unsere Eingangstür zum Internet, heute sind es die Apps. Nun sagen die Experten voraus, dass Bots in naher Zukunft unser Haupteingangstor zur digitalen Welt sein könnten. Auf einer Konferenz letzten Monat sagte Microsoft Vorstandsvorsitzender Satya Nadella: „Bots sind die neuen Apps.“

Das Szenario für eine Bot-zentrierte Zukunft sieht wie folgt aus: Smartphone Besitzer haben bewiesen, dass sie lediglich bereit sind eine begrenzte Anzahl Apps zu downloaden und ihre Zeit in diesen zu verbringen. Deshalb sollten Unternehmen eher versuchen mit den Verbrauchern in den Apps in Kontakt zu treten, die diese bereits viel und häufig nutzen. Befürworter der Chatbots bemerken auch, dass Bots zweckmäßiger sein können als  app- oder webbasierte Suchen weil sie natürliche Sprachmuster erkennen. Da Bots auf one-to-one Gespräche zugeschnitten sind, sind sie logischerweise in Messaging Apps Zuhause, die momentan einen explosionsartigen Wachstum erfahren und der digitale Kommunikationskanal der Generation Z sind. Laut des Marktforschungsunternehmen eMarketer, benutzen im Jahr 2014 76 Millionen Leute in den Vereinigten Staaten Messaging Apps wie Kik, Whatsapp und Facebook Messenger. Diese Zahl ist letztes Jahr auf 113 Millionen gestiegen und  soll bis 2019 auf 177 Millionen weiter steigen.

Vor diesem Hintergrund treten große Einzelhandelsketten und Silicon Valley das Rennen an und entwickeln Möglichkeiten zur Verwendung von Chatbots in Messaging Apps um Kundenservice anzubieten oder browsen und kaufen zu ermöglichen.

Wenn Sie beispielsweise ein Gespräch mit einem H&M Chatbot auf Kik beginnen, versucht dieser am Anfang ein Gefühl für Ihren persönlichen Stil zu entwickeln. Es werden Ihnen jeweils drei Outfits angezeigt aus denen Sie Ihren Favoriten aussuchen sollen. Von da aus können Sie den Chatbot etwas testen und ihn nach verschiedenen Outfits rund um einen bestimmten Artikel fragen. Wenn Sie zum Beispiel „Spitzenkleid“ eingeben, wird der Bot Ihnen möglicherweise ein komplettes Outfit mit Spitzenkleid, Jeansjacke, Silberarmband und Ballerinas anbieten.

Kunden können das Bild des jeweiligen Artikels anklicken und es kaufen. Die Gespräche des Chatbots sind gespickt mit Emojis und Slangwörtern um Ihnen das Gefühl zu vermitteln, Sie würden sich mit einem „echten“ Freund unterhalten.

Im Jargon des Einzelhandels ist dieser Vorgang als „conversational commerce“ bekannt und Marken setzen darauf weil es Ihnen Vorteile verschaffen könnte bei der Kontaktaufnahme mit Kunden. Wie es Rod McLeod, Pressesprecher bei Kik, bemerkt, sind Verbraucher bereits in einer anderen Geisteshaltung wenn sie ein Gespräch mit einem Chatbot beginnen, als jemand der einfach nur die Werbung eines Einzelhändlers auf einer Website sieht.

„ Der Benutzer muss sich aktiv für das Gespräch entscheiden. Das bezeugt bereits von Anfang an Interesse.“

Und wenn es den Unternehmen gelingt die Sprachverarbeitungsfähigkeiten des Bots zu optimieren, wird das wiederum erneute Vorteile für die Kunden zur Folge haben.

„Das Web und die Apps haben Menschen dazu gezwungen wie Computer zu handeln“, sagt Beerud Sheth, Vorstandsvorsitzende bei Gupshup, ein Unternehmen das Chatbot-Building Plattformen anbietet. „Beim chatten müssen Computer sich benehmen wie Menschen.“

Chatbots sind sicherlich nichts Neues in der Technologielandschaft. Apples Siri und Microsofts Cortana werden mit der Hilfe von Chatbots betrieben und  sie werden ebenfalls schon seit langem bei Reisebuchungen oder Informationsbeschaffung von der Versicherungen verwendet. Anscheinend befinden wir uns aber an einem Wendepunkt in der Chatbot- Entwicklung und Bots könnten bald nicht nur zum Shoppen sondern auch bei Nachrichten, Banktransaktionen und zum Bestellen von Taxis verwendet werden. Microsoft ist so überzeugt von den Chatbots, dass es neuerdings eine ganze Reihe von Tools entwickelt hat um Entwicklern bei der Erschaffung von Bots zu unterstützen. Facebook setzt bei der Interaktion von Unternehmen mit ihren Kunden ebenfalls auf Chatbots, in dem rapide wachsenden Facebook-Messenger.

Zum Teil mag das daran liegen dass Unternehmen davon überzeugt sind Produkte wie Siri und Amazons Echo hätten Verbraucher darauf vorbereitet.

„ Ich denke, Leute gewöhnen sich an diese Art von Kommunikation, um Dinge zu erfragen“, sagt Yory Wurmser, Einzelhandelsexperte bei eMarketer.

 

Es könnte allerdings auch die Tatsache widerspiegeln, dass neueste Verbesserungen bei der Sprachverarbeitung und der künstlichen Intelligenz die Interaktionsmöglichkeiten mit den Chatbots interessanter machen.

Bei Taco Bell waren solche Innovationen zum Beispiel entscheidend für die Entwicklung des TacoBot. Andy McCraw, Digital Innovation Manager beim Unternehmen sagte über einen Test in der frühen Entwicklungsphase: „Ehrlich gesagt war alles ein bisschen trocken. Die Herausforderung war demnach dem Ganzen etwas Persönlichkeit einzuflößen. Die Verarbeitung natürlicher Sprache machte es auf einmal viel interessanter und spannender.“

In seiner jetzigen Form ist es mit dem Tacobot möglich eine Bestellung für ein Taco Bell Menu über Slack aufzugeben, eine beliebte App die auf vielen Arbeitsplätzen benutzt wird. Momentan steht der Chatbot nur Beta-Testpersonen zur Verfügung. Der Plan ist jedoch ihn weiter auszubauen.

Sephora’s Kik App hat mir beispielsweise dabei geholfen einen Clinique Lidschatten auf Nachfrage schnell zu finden. Versuche mit dem Bot wirklich zu kommunizieren haben sich allerdings eher schwierig gestaltet. Als ich nach einem Lippenstift in einem Nude Ton gefragt habe und mir einer angezeigt wurde, der mich nicht gefiel, habe ich geschrieben: „Dies ist nicht was ich mir vorgestellt habe“. Daraufhin hat der Chatbot mir Bilder von ganz anderen Produkten, wie z.B. Shampoos, geschickt und damit klar gemacht, dass er mich nicht verstanden hat.

Microsoft hatte vor kurzem ein PR Desaster mit dem Chatbot Tay, der durch künstliche Intelligenz gesteuert wurde und so konzipiert war, dass er Sprachmuster durch Interaktion mit seinen Benutzern lernt. Als Tay dann, als Ergebnis dieser Lernprozesse, damit anfing rassistische Äußerungen von sich zu geben, sah Microsoft sich dazu gezwungen Tay vorrübergehend aus dem Verkehr zu ziehen. „A.I. ist ein einziger Lernvorgang, es wird immer besser“, bemerkt Wurmser. „ Die Gefahr ist nur, dass man Leute vergraulen könnte bevor es soweit ist.“

Einzelhändler könnten einen Reinfall wie mit Tay vermeiden indem Sie den Chatbot so konfigurieren, dass er nur von einigen ausgewählten Quellen lernt und nicht aus allen Chats die ihm begegnen. (Und einige Chatbots funktionieren nicht mit künstlicher Intelligenz.).

„Was Tay betrifft, scheint es so, dass es daran lag, dass er so vielen Einflüssen ausgesetzt war und mit so vielen Parteien interagiert hat“, meint Ross Rubin, Senior Director in der Industrieanalyse und App-Analyse Unternehmen App Annie.

Aber das Geschehen spiegelt nichtsdestotrotz die Herausforderung wider eine Technologie im frühen Entwicklungsstadium zu testen.

Sucharita Mulpuru, eine E-Commerce Analystin bei Forrester Research meint, dass der Erfolg von Chatbots je nach Unternehmen und Bereichen sehr abweichen kann. Sie sieht Potential im Chatbot vom Car-Sharing oder Taxi Unternehmen.

Aber „Müssen Make-Up oder Männerkleidung auf diese Weise gekauft werden? Ich bin mir über diesen Nutzen nicht so sicher“, schrieb Sucharita Mulpuru in einer E-Mail.

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